Mit dem Voranschreiten der Energiewende wächst das Interesse an dezentralen und regelbaren Erzeugereinheiten. Die Nutzung von Abwärme in Industrieprozessen kann nennenswert dazu beitragen, die Energieeffizienz zu steigern und CO2-armen Strom zu erzeugen. Der Organic Rankine Cycle (ORC) bietet hierfür einen technologischen Ansatz zur Wandlung von Abwärme in Strom. Das nordbayerische Konsortium aus Universität Bayreuth, OTH Amberg-Weiden und der Firma DEPRAG beschäftigt sich seit nunmehr 7 Jahren erfolgreich mit der Entwicklung von ORC-Systemen und insbesondere von Mikroexpansionsturbinen im kleinen Leistungsbereich unter 50 kW (elektrisch).  

Die Rückgewinnung von ungenutzten Energieströmen wie die Wärme in Abgasen von Verbrennungsmotoren oder Gasturbinen oder auch die Abwärme industrieller Prozesse stellt einen vielversprechenden Ansatz zur Verbesserung der Energieeffizienz dar. Die existierenden technischen Lösungen, wie nachgeschaltete Dampfkraftprozesse oder Turbinen als Erdgasexpander, beschränken sich auf Energieströme mit Temperaturen über 500 °C und elektrische Anlagenleistungen über 100 kW. Um eine breite Marktdurchdringung zu erreichen und einen spürbar positiven Effekt auf das heutige Energiesystem zu erzielen, ist es wichtig, auch die erheblichen Potentiale auf niedrigen Temperaturniveaus zu erschließen. 

Das Konzept: effiziente, kleinskalierte ORC-Turbine

Der ORC bietet sich insbesondere für Wärmequellen mit Temperaturen von 100 °C bis 500 °C als Technologie zur Energiewandlung an. Dabei handelt es sich im Prinzip um den altbekannten Dampfkraftprozess, der nach dem schottischen Physiker und Ingenieur William John Macquorn Rankine (1820 – 1872) benannt ist. Im Unterschied zu konventionellen Kraftwerken werden in ORC-Systemen jedoch organische Fluide statt Wasser als Arbeitsmedium eingesetzt. Diese Stoffe haben den Vorteil, dass sie bereits bei verhältnismäßig niedrigen Temperaturen verdampfen. Im elektrischen Leistungsbereich kleiner 100 kW hat sich diese Technologie noch nicht ausreichend etabliert. Dies ist unter anderem im Mangel an wirtschaftlichen Mikroexpandern mit Generatoren begründet. Gerade hier besteht ein wichtiger Ansatzpunkt der intensiven Forschungs- und Entwicklungsarbeit der Kooperationspartner. Zum einem wurde eine neuartige, hochintegrierte Turbinen-Generator-Einheit entwickelt, welche aus einer axialen Gleichdruckturbine mit hermetisch dichtem Synchrongenerator besteht (Abbildung Turbine). Darüber hinaus wurde ein innovatives Wärmeübertrager-Design (Plate & Shell-Wärmeübertrager) erprobt, um das ORC-Arbeitsmedium direkt mit dem Abgas zu koppeln. Durch diese Maßnahme werden kostenintensive Zwischenkreisläufe vermieden.

Enge Kooperation: Bayreuth und Amberg

Im 2011 bis 2013 von der Bayerische Forschungsstiftung geförderten Projekt „Entwicklung eines ORC-Minikraftwerkes zur Abwärmenutzung“ wurden zunächst die spezifischen Expertisen der drei Projektpartner in mehreren Entwicklungsstadien zusammengeführt: stationäre Simulation und Fluidauswahl, Auslegung und Fertigung eines Direktverdampfers und einer Mikro-Expansionsturbine mit Generator, Konzipierung der Demonstrationsanlage sowie Aufbau und Betrieb der Anlage. Hierbei wurde durch Prof. Dr.-Ing. Andreas Weiß von der OTH Amberg-Weiden die Mikroexpansionsturbine berechnet und ausgelegt. Die DEPRAG SCHULZ GMBH u. CO. mit Sitz in Amberg löste die technischen Herausforderungen bei der Fertigung der ORC-Mikroexpansionsturbine. Schließlich wurde ein Forschungskraftwerk am Zentrum für Energietechnik (ZET) der Universität Bayreuth unter der Leitung von Prof. Dr-Ing. Dieter Brüggemann errichtet (Abbildung Forschungskraftwerk). „Die intensive und zielgerichtete Zusammenarbeit der Turbinenentwickler aus Amberg mit den Thermodynamikern aus Bayreuth haben schließlich dazu geführt, dass eine elektrische Leistung von 12 Kilowatt mit einem Turbinenwirkungsgrad von knapp 65 Prozent erzielt wurde und dabei Abgastemperaturen bis 300 Grad Celsius genutzt werden konnten“, erinnert sich Dr.-Ing. Theresa Weith, die das Projekt bearbeitet hat und nun das Themenfeld Wärmeübertragung am ZET leitet.

Konsequente Weiterentwicklung: breitere Anwendung und flexibler Einsatz

Das beschriebene Forschungsprojekt stellt den ersten Schritt in einer konsequenten Weiterentwicklung der ORC-Technologie durch die Projektpartner dar. Nach dem erfolgreichen Bau und Test des Versuchskraftwerks mit Direktverdampfung von Cyclopentan und einer Mikroturbine als Expander wurde im Rahmen des KoKWK-Teilprojekts „Mikroexpansionsturbinen mit schnelllaufenden Generatoren zur Verstromung von Abwärme in der Kraft-Wärme-Kopplung oder anderen industriellen Prozessen“, von 2013 bis 2016 vom Bayerischen Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst gefördert, wurde ein Baukastensystem für Mikroexpansionsturbinengeneratoren entwickelt. Drei verschiedene Repräsentanten dieses Baukastens wurden in einer zweiten ORC-Anlage mit Hexamethyldisiloxan (MM) als Arbeitsmittel ausgiebig vermessen.

Aufgrund des sehr zuverlässig arbeitenden neuen ORC-Versuchskraftwerkes konnten die Turbinen nicht nur im Auslegungspunkt, sondern auch unter Teillast getestet und so die Betriebs- und Wirkungsgrad-Charakteristiken bestimmt werden. Die vorgenommenen Messungen belegen weitere Effizienzsteigerungen, so dass Wirkungsgrade der Turbine von fast 75 % realisiert werden konnten. Alle Beteiligten haben dabei stets Wert darauf gelegt, theoretische Berechnungen mit konkreten Nachweisen im Labor zu verbinden. „Zahlreiche Veröffentlichungen auf diesen Gebieten haben sich mit Berechnungen am Computer begnügt, sind experimentelle Nachweise aber schuldig geblieben. Diese Lücke konnten wir schließen und zeigen, welches große Potenzial für die Stromerzeugung auch in kleinen ORC-Anlagen steckt“, betont Prof. Brüggemann.

Dass die ehrgeizigen Zielsetzungen nicht nur auf wissenschaftlicher Ebene erreicht wurden, zeigt auch die „Green-Energy-Turbine (GET®)“ – eine Produktfamilie der Firma DEPRAG SCHULZ GMBH u. CO., welche in ihrer Architektur maßgeblich auf den geschilderten Projekten beruht. Mit fünf verschiedenen Baugrößen kann ein elektrischer Leistungsbereich von 3 kW bis 175 kW abgedeckt werden. Aufgrund des einfachen Aufbaus kann der GET-Turbinengenerator schnell und kostengünstig auf die in der Praxis geforderten verschiedenen Leistungen, Arbeitsfluide, Drücke und Temperaturen angepasst werden und so befinden sich aktuell bereits ca. 100 Maschinen im Feldeinsatz.

Trotz der bereits erzielten Erfolge haben sich die Projektpartner noch weiterführende Ziele gesteckt. Im neuen, durch die BFS geförderten Projekt, soll eine adaptive Turbine mit variabler Geometrie entwickelt und im bestehenden Forschungskraftwerk erprobt werden. „Wir möchten erreichen, dass sich die Turbine intelligent und effizient an häufig auftretende Teillastbereiche anpasst“ erklärt Prof. Weiß.

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