„Der Multimodale Verkehr/KV steht zwar im Fokus der Verkehrsverlagerungsstrategie der Politik. Allerdings gibt es kein ausreichendes Angebot im KV für Lieferketten und Flächenbedienung im Binnenverkehr“, sagte Gerhard Oswald, Geschäftsführender Gesellschafter/Managing Partner der Gomultimodal GmbH. Als Beispiele für derzeitige Defizite nannte er Konsumgüter, temperaturgeführte Produkte und Halbfertigprodukte. Zudem würden wichtige Wirtschaftsräume nur mangelhaft bedient und seien schlecht miteinander verknüpft.
Hohe Leistungsansprüche der Verlader in Bezug auf Auswahl, Verfügbarkeit, Qualität und Liefertermine brächten die Logistik- und Transportbranche an Ihre Grenzen. Die Praxis zeige, dass die hohen Leistungsansprüche nicht mehr allein mit den heutigen Transportmodellen im Landverkehren zu erfüllen seien. Im Kurz- und Mittelstreckenbereich (60 bis 300 Km) „braucht es neue intelligente Verkehrs- und Transportmodelle, die einerseits wirtschaftlich kalkulierbar und andererseits auch zeitnahe umgesetzt werden können“, so Oswald weiter.
Christian Utsch, Geschäftsführer Logistik der GMS Getränke & Mehr Servicegesellschaft mbH, informierte über die Vorteile der intermodalen Einzelwagenverkehre (EWV) als wirtschaftlicher und nachhaltiger Alternative zum Straßentransport. Diese seien auch für kleinere Verlader ohne eigenen Gleisanschluss und unzureichendem Potenzial für Ganzzüge interessant. EWV seien die „richtige Antwort auf den Fahrermangel sowie gestiegene Lkw-Maut und Dieselpreise“. Zudem seien sie „politisch und gesellschaftlich gewollt und sinnvoll“. Utsch: „Der intermodale Einzelwagenverkehr bietet Chancen zur Verkehrsverlagerung, wenn das Ziel die Weiterentwicklung zu Warengruppenverkehren und Ganzzügen ist, die Verlader bereit sind, den steinigen Weg bis zum ersten Transport zu gehen und es seitens der Schienengüterverkehrsunternehmen wirklich gewollt ist.“
„Der Einzelwagenverkehr ist mit einem Anteil von ca. 18 Prozent neben dem Ganzzugverkehr und dem Kombinierten Verkehr eine tragende Säule im Schienengüterverkehr“, teilte Jörg Stephan, Ministerialrat und Referatsleiter im Bundesministerium für Digitales und Verkehr, mit. Der EWV erfülle mit mehr als 1.400 Zugangsstellen zum Schienennetz eine wichtige Grund- und Netzfunktion auch im grenzüberschreitenden SGV.
Aufgrund der hohen Betriebskosten sei der EWV aktuell überwiegend nicht wirtschaftlich durchführbar. Erst mit zunehmender Digitalisierung und Automatisierung des SGV sei perspektivisch eine höhere Effizienz und Wirtschaftlichkeit im EWV erreichbar.
Stephan informierte auch über aktuelle Entwicklungen zur Förderung von Gleisanschlüssen. Danach seien im Rahmen der Gleisanschlussförderung des Bundes im Zeitraum 2004 bis 2020 216 Förderbescheide für Gleisanschlüsse erlassen worden. Die Fördersumme habe insgesamt fast 175,0 Millionen Euro und die Investitionssumme rund 455,0 Millionen Euro betragen. Seit 1. März 2023 sei eine neue Anschlussförderrichtlinie wirksam. Staatlich gefördert würden Gleisanschlüsse, Zuführungs- und Industriestammgleise sowie multifunktionale Anlagen. Finanzielle Unterstützung gebe es für Neubau, Ausbau, Reaktivierung und Ersatz von Gleisanschlüssen, inklusive Anschlussweichen.
„Ob große oder kleine Sendungsgröße – erfolgreiche Logistik auf der Schiene ist schnell und direkt“, so Henrik Würdemann, CEO der Captrain Deutschland GmbH, in seinem Vortrag. Die Schiene könne im Vergleich zur Straße auch bei den Faktorkosten punkten. So sei der Direkttransport mit der Bahn ab einer Sendungsgröße von etwa 250 Tonnen (entspricht fünf Wagen) konkurrenzfähig. „Bei der Annahme 100 Prozent ‚leer zurück‘ gilt diese Aussage ab etwa zehn Wagen“, fügte Würdemann hinzu. Bei kluger Verknüpfung einzelner Transportströme könne die Schiene auch bei noch kleineren Sendungsgrößen wettbewerbsfähig sein.
Auf aktuelle Herausforderungen für die Schienenlogistik ging Dr. Jörg Hilker, Managing Director der Innofreight Germany GmbH, näher ein. Dabei informierte er über den Status quo bei Güterwagen. Diese seien oft sehr alt und lediglich für „Durchschnittsnutzung“ ausgerichtet. Güterwagen mit integrierter Entladetechnik seien komplex und „schwer“. Die Ausfallzeiten defekter Waggons seien zudem hoch.
„Der Ausbau der Schieneninfrastruktur ist ein starkes Signal für nachhaltigen Güterverkehr“, hob Ingrid Felipe, Vorständin Infrastrukturplanung und -projekte der DB InfraGO AG, in ihrem Statement hervor. Für die von Politik und Wirtschaft angestrebte Mobilitätswende sei die Schiene unverzichtbar. Denn kein motorisiertes Verkehrsmittel sei so klimafreundlich wie die Bahn. So wiesen Güterzüge im Vergleich zum Lkw deutlich niedrigere spezifische Treibhausgasemissionen auf. Gleichzeitig sei kein Verkehrsmittel so elektromobil wie die Schiene. Diese verfüge mit mehr als 90 Prozent über den höchsten Marktanteil bei der Elektromobilität. Zum Vergleich: Die Straße komme auf weniger als ein Prozent. Eine starke Schiene bedeutet nach Felipes Angaben „eine Reduktion des CO2-Gesamtausstoßes um 10,5 Millionen Tonnen pro Jahr. Das entspricht dem jährlichen CO2-Fußabdruck einer Million Menschen.“
Um den SGV weiter auszubauen, seien im Masterplan Schienenverkehr bundesweit zahlreiche Großvorhaben zur Erhöhung der Netzkapazität hinterlegt. Hinzu kämen ca. 70 Maßnahmen im 740-m-Netz und vier Projekte zur Elektrischen Güterbahn. Auch führe die Digitalisierung mit dem ETCS-Ausbau (European Train Control System) zu einer höheren Kapazität – ohne dass dafür neue Schienen gebaut werden müssten.
Felipe informierte auch über das geplante Hochleistungsnetz von Bund und Deutscher Bahn. Damit es erfolgreich bis einschließlich 2030 realisiert werden könne, sollen bis dahin unter anderem mehr als 4.000 km Gleise generalsaniert werden. Die Generalsanierung führe in Summe zu weniger Sperrzeiten und damit auch zu weniger Nachteilen für den SGV. Felipe: „Bei Abfolge der Generalsanierungsprojekte ist auch darauf geachtet worden, dass gleichzeitig stattfindende Generalsanierungen verkehrlich verträglich sind.“
Save the Date: Das 18. BME-/VDV-Forum Schienengüterverkehr findet von 29. Januar bis 30. Januar 2025 in Berlin statt.
Der 1954 gegründete Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) ist ein führender Fachverband und Netzwerkpartner für Einkaufs-, Supply-Chain- und Logistikverantwortliche in Deutschland und Europa. Er zählt in 38 Verbandsregionen rund 10.000 Mitglieder – vom Einzelunternehmen über den Mittelstand bis zum Konzern – aus allen Branchen und Sektoren. Das Volumen der von den Verbandsmitgliedern beschafften Waren und Dienstleistungen beträgt jährlich rund 1,25 Billionen Euro. Das entspricht knapp einem Drittel des deutschen Bruttoinlandsprodukts. Die Verbandsziele des BME sind der Know-how-Transfer durch Erfahrungsaustausch, die Aus- und Weiterbildung von qualifizierten Fach- und Führungskräften sowie die Förderung neuer Erkenntnisse, Verfahren und Techniken an der Schnittstelle von Wissenschaft und Praxis.
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