Prof. Lothar Scheuer, AöW-Präsident: „Der vorgestellte Koalitionsvertrag enthält zahlreiche richtige und wichtige Weichenstellungen für die öffentliche Wasserwirtschaft, die wir zur Bundestagswahl gefordert hatten. Insoweit begrüßen wir grundsätzlich die Ergebnisse aus Sicht der AöW. Nun muss es darum gehen, die im Koalitionsvertrag genannten Punkte zügig anzugehen und insbesondere Finanzierungsfragen endgültig zu klären. Ein Hinausschieben darf es nicht mehr geben.“

Berlin. Der am 24.11.2021 von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP vorgestellte Koalitionsvertrag „Mehr Fortschritt wagen“ enthält zahlreiche Punkte, die für die öffentliche Wasserwirtschaft von Relevanz sind.

Prof. Lothar Scheuer, AöW-Präsident erklärt hierzu im Einzelnen und in Kürze: „Bei der konsequenten und zügigen Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie ist zu beachten, dass die Politik wegen der unterschiedlichen natürlichen Regenerationszeiten der Gewässer zur Umsetzung der WRRL einen längeren Atem braucht. Dazu gehört die realistische Erkenntnis und Akzeptanz, dass die Fristsetzung bis 2027 zu kurz ist. Bei der Umsetzung der WRRL müssen für die geplanten Maßnahmen die personellen und finanziellen Ressourcen verbessert werden. Hierfür müssen auch vom Bund finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden. Der sog. Transparenzansatz, den Bund und Länder verabredet haben, muss mit der Europäischen Kommission abgestimmt werden, um ein Vertragsverletzungsverfahren zu vermeiden. Wir begrüßen in diesem Zusammenhang auch die geplante Beschleunigung und Vereinfachung von Planungs- und Genehmigungsverfahren, dies wird  Maßnahmen   zur Umsetzung der WRRL, aber auch Maßnahmen zur Klimafolgenanpassung beschleunigen können.

Die zügige Umsetzung der Nationalen Wasserstrategie begrüßen wir – ich hoffe, dass die Abstimmungen mit den Ländern ohne Verzug vorankommen werden. Die öffentliche Wasserwirtschaft braucht Rahmenbedingungen für die nächsten Generationen, um auch zukünftig die öffentliche Wasserversorgung und Abwasserentsorgung sicher und zu angemessenen Entgelten sicherstellen zu können. Bei Finanzierungsfragen müssen auch die sozialen und politischen Folgen sowie der gesellschaftliche Zusammenhalt bedacht werden. In den Fokus gehören sowohl die Auswirkungen bei den Bürgerinnen und Bürgern als auch bei Bevölkerungsgruppen wie Grundstückseigentümer:innen und Mieter:innen sowie Gewerbe- und Industriebetriebe.

Die Erarbeitung einer Klimaanpassungsstrategie begrüßen wir ebenfalls. Die Wasserwirtschaft kann wertvolle Beiträge zur Klimaanpassung leisten und muss daher konsequent in die Entwicklung und Umsetzung von Klimaanpassungsstrategien und -maßnahmen einbezogen werden. Für wasserrelevante Anpassungsmaßnahmen müssen sichere Finanzierungen und ein praktikabler Rechtsrahmen geschaffen werden. Dazu ist vor allem ein verstärktes Engagement des Bundes zusammen mit den Ländern unabdingbar. Die Interkommunale Zusammenarbeit, gerade auch im Hinblick auf die Klimawandelanpassung, muss ebenfalls gestärkt werden. Hierfür benötigen die Kommunen finanzielle Flexibilität, um durch kooperativen Umweltschutz Maßnahmen dort ergreifen zu können, wo sie am kostengünstigsten und effektivsten Klimaanpassung leisten. Die Rahmenbedingungen müssen kommunale Kooperationen stärken.

Bei der angekündigten Verbesserung des Abwasserabgabengesetzes muss beachtet werden, dass die Finanzierungslast nicht einseitig der kommunalen Abwasserwirtschaft und dadurch den Gebührenzahlenden auferlegt wird, ohne weitere Verursachende in die Finanzierungspflicht zu nehmen. Es müssen dringend erforderliche Anreize zu gewässerschonenden Maßnahmen bei den Verursachenden – gerade bei diffusen Einträgen und der Herstellung von wassergefährdenden Produkten und Stoffen – gesetzt werden. Eine Umweltqualitätsnorm für Arzneimittelwirkstoffe im „Wasserrecht“ spricht vielmehr das Thema „vierte Reinigungsstufe“ an. Stattdessen sprechen wir uns für die konsequente Umsetzung des Vermeidungs- und Verursachungsprinzips aus. Wenn eine Vermeidung durch die Verursachenden nicht möglich ist, muss sich das auf die Kostentragung für die dadurch von der Wasserwirtschaft ergriffenen Maßnahmen beziehen. Es sind Finanzierungsinstrumente zu entwickeln, welche die Verursachenden genauso einbeziehen wie die Nutznießenden.

Eine bundesweite Leitlinie zur Wasserentnahme, die der öffentlichen Trinkwasserversorgung den Vorrang einräumt, begrüße ich als eine gute Ergänzung zu dem rechtlich bestehenden Vorrang der öffentlichen Wasserversorgung. Besonders in der Praxis muss dem Vorrang der öffentlichen Wasserversorgung und deren wachsender Bedeutung hinreichend Rechnung getragen werden.

Die rasche Umsetzung der europäischen Vorgaben über die Wiederverwendung von Abwasser ist verpflichtend. Dabei darf zu einer sicheren und rechtssicheren Umsetzung der Blick auf den gesamten Wasserkreislauf nicht verloren werden; der sorgsame Umgang mit unseren natürlichen Wasserressourcen muss im Mittelpunkt stehen. Hierzu sieht die Verordnung durchaus Spielräume für die Mitgliedstaaten, die geprüft werden sollten.

Die Zielsetzung einer nachhaltigen, zukunftsfähigen Landwirtschaft, die den Belangen der Umwelt gerecht wird, unterstützen wir ausdrücklich und sind an den Entwicklungen interessiert. Hierbei muss insbesondere der Gewässerschutz stärker einbezogen werden – es darf dabei nicht bei Versprechungen bleiben, sondern muss in wirksamen Maßnahmen münden.

Als die Interessenvertretung der 100% Öffentlichen in der Wasserwirtschaft beobachten wir die Absichten hinsichtlich Projekten zu Öffentlich-Privaten Partnerschaften auch in anderen Bereichen kritisch. Eine funktionierende und sichere Wasserversorgung, die Versorgung der Allgemeinheit mit Trinkwasser sowie die Beseitigung von Abwasser der Allgemeinheit leisten nicht nur einen wichtigen Beitrag zur gesicherten Lebensgrundlage in Deutschland, sondern sind auch Grundvoraussetzung für die Wirtschaft. Wir sehen diese Bereiche als staatliche Kernaufgaben, die dem Staat vorbehalten sind.

Die öffentliche Wasserwirtschaft braucht als wesentlicher Bestandteil der Daseinsvorsorge gerade jetzt die politische Unterstützung für ihre gemeinwohlorientierte Aufgabe. Wir werden uns insoweit für die Belange der öffentlichen Wasserwirtschaft in öffentlicher Hand einsetzen und uns zu Themen einbringen, die auch im Rahmen des Koalitionsvertrages von wichtiger Bedeutung sind.“

Die AöW – als die wasserpolitische Interessenvertretung – baut auf eine starke Unterstützung, Vernetzung und Mitwirkung der öffentlichen Wasserwirtschaft sowie der Kommunen und fördert den Dialog für eine nachhaltige Entwicklung.

Über den Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft e.V.

Die AöW ist die Interessenvertretung der öffentlichen Wasserwirtschaft in Deutschland. Zweck des Vereins ist die Förderung der öffentlichen Wasserwirtschaft durch die Bündelung der Interessen und Kompetenzen der kommunalen und verbandlichen Wasserwirtschaft.

AöW-Mitglieder sind Einrichtungen und Unternehmen der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, die ihre Leistungen selbst oder durch verselbstständigte Einrichtungen erbringen und vollständig in öffentlicher Hand sind. Ebenso sind Wasser- und Bodenverbände sowie wasserwirtschaftliche Zweckverbände und deren Zusammenschlüsse in der AöW organisiert. Allein über den Deutschen Bund der verbandlichen Wasserwirtschaft (DBVW) sind über 2000 wasser-wirtschaftliche Verbände in der AöW vertreten. Außerdem sind Personen, die den Zweck und die Ziele der AöW unterstützen sowie solche Interessenverbände und Initiativen, Mitglied in der AöW.

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