Die geplanten Entschädigungszahlungen im Zuge des deutschen Braunkohleausstiegs verzerren den Energiemarkt zugunsten großer Kohlekonzerne. Deshalb fordert die Ökoenergiegenossenschaft Greenpeace Energy in einer heute an die EU-Kommission adressierten Stellungnahme, sie in der jetzigen Form nicht zu genehmigen. Brüssel unterzieht die Zahlungen derzeit einer beihilferechtlichen Prüfung. „Diese Beihilfe ist unverhältnismäßig hoch. Sie schadet in mehrfacher Hinsicht der Energiewende, verzerrt den Wettbewerb und ist nicht zu rechtfertigen“, sagt Sönke Tangermann, Vorstand von Greenpeace Energy.

So zeigt ein Gutachten des Analyseinstituts Energy Brainpool: Die zwischen Bund und Betreibern vereinbarten Entschädigungen – 2,6 Milliarden Euro für den RWE-Konzern und 1,75 Milliarden für die ostdeutsche LEAG – dürften den Kohleausstieg sogar deutlich verzögern. Denn ohne Kompensation, also unter reinen Marktbedingungen angesichts steigender Kosten für nötige CO2-Verschmutzungsrechte, würden die klimaschädlichen Kraftwerke wohl deutlich früher abgeschaltet werden, als nach dem jetzigen Ausstiegs-Fahrplan bis 2038. „Die hohen Entschädigungen sorgen aber jetzt dafür, dass Braunkohlekonzerne Zeiten aussitzen können, in denen ihre Kraftwerke nicht mehr wirtschaftlich sind“, kritisiert Sönke Tangermann.

Die EU-Wettbewerbshüter haben laut Greenpeace Energy daher die Aufgabe, genau zu prüfen, ob die geplante Beihilfe auch vereinbar mit den Zielen der Europäischen Union ist – und ob sie eine echte CO2-Verringerung ermöglicht, die anders nicht zu erreichen gewesen wäre. „Aus Sicht des Beihilfenrechts wirft die Art und Weise, wie die Entschädigungsbeträge festgelegt wurden, viele Fragen auf. Um mit den Beihilferegeln vereinbar zu sein, müssen sich Beihilfen unter anderem auf ein Minimum beschränken, was hier fraglich ist“, so Anwältin Maria Segura von der Brüsseler Kanzlei Clayton & Segura, die Greenpeace Energy berät.

Denn die ausgehandelten Kompensationen sind generell viel zu hoch angesetzt. Die Bundesregierung betrachtet bei ihrer Berechnung nicht nur vermeintlich entgangene Gewinne, sondern auch zusätzlich anfallende Tagebaukosten. Dies widerspricht aber klar dem Verursacherprinzip des Bundesberggesetzes, nach dem der Betreiber die volle Verantwortung für verursachte Tagebauschäden trägt.

Laut dem Gutachten von Energy Brainpool hat ein durch die Entschädigungen verzögerter Braunkohleausstieg noch weitere negative Auswirkungen für die Energiewende: Weil die länger bestehenden Braunkohle-Kapazitäten die Preise auf dem Energiemarkt verzerren, sinken die Erlöse von Erneuerbaren-Energien-Anbietern wie Greenpeace Energy – und benachteiligen sie finanziell bei langfristig abgeschlossenen Abnahmeverträgen.

„Zudem werden wichtigen Investitionen in Sektorenkopplungs- und Flexibilitätstechnologien dadurch Steine in den Weg gelegt“, sagt Gutachten-Autor Michael Claußner von Energy Brainpool. Die von Braunkohlekraftwerken verursachten hohen CO2-Emissionen verhindern, dass Elektromobilität, Wärmepumpen und grüner Wasserstoff ihr volles Potenzial für den Klimaschutz ausspielen können. Schließlich verschaffen die überhöhten Entschädigungen Braunkohle-Konzernen massive Vorteile. Wenn RWE und LEAG in neue Energieprojekte investieren, haben sie mit den Kompensationen im Rücken deutlich bessere Chancen gegenüber Konkurrenten, die sich seit Jahren für die Energiewende engagieren.

„Angesichts der großen Marktmacht, die RWE und LEAG schon jetzt haben, ist es verwunderlich, dass die Kommission mögliche Wettbewerbsverzerrungen durch die Entschädigungen bisher nicht adressiert hat“, sagt Sönke Tangermann. Neben den wirtschaftlichen Argumenten führt Greenpeace Energy in der Stellungnahme an die EU-Kommission noch weitere rechtliche Kritikpunkte auf, die gegen eine beihilferechtliche Genehmigung sprechen. So ist etwa nicht klar definiert, ob und in welcher Höhe die Entschädigungszahlungen für die vereinbarte sozialverträgliche Schließung der Kohlestandorte vorgesehen sind.

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