Forschern des Leibniz-Instituts für Photonische Technologien Jena (Leibniz-IPHT) ist es gemeinsam mit Kollegen aus Karlsruhe, London und Moskau gelungen, erstmals einen kohärenten Quanteneffekt mit einem bei tiefen Temperaturen kontinuierlich supraleitenden Nanodraht experimentell nachzuweisen und damit einen neuen Quantendetektor zu realisieren. Der nur wenige Nanometer große Sensor öffnet eine bislang verschlossene Tür der experimentellen Quantenphysik und ermöglicht zukünftig die Erforschung völlig neuer physikalischer Instrumente in der Quantenelektronik und Quantenoptik. Die Ergebnisse publizierten die Wissen­schaftler Anfang April im renommierten Fachjournal Nature Physics.

In der Veröffentlichung beschreibt das internationale Wissenschaftler-Team ein fundamentales quantenmechan­isches Experiment: der erste Nachweis des Aharonov-Casher-Effekts mit einem Niobnitrid-Nanodraht in einem CQUID-Quantensensor (Charge Quantum Interference Device). Der Effekt, den die theo­retischen Physiker Yakir Aharonov und Aharon Casher bereits im Jahr 1984 postulierten, beschreibt die quanten­mecha­nische Bewegung magnetischer Flußquanten – den kleinsten Einheiten des Magnetfelds – um elektrische Ladungen. Anwendungsmöglichkeiten sehen die Wissenschaftler unter Anderem in einem zuverlässigen Standard zur Neudefinition der Maßeinheit Ampere, in hochauflösenden photonischen Detektoren oder als Element zur Informationsverarbeitung in Quantencomputern.

CQUID: Ein neuer Quantensensor

Der erstmals erfolgreich realisierte CQUID-Sensor ist das Gegenstück zu den seit Jahrzehnten bekannten supraleitenden Quanten-Interferenz-Detektoren (SQUIDs), deren Funktionsweise auf der quantenmechanischen Bewegung elektrischer Ladungen um magnetische Flußquanten beruht. Im Gegensatz dazu bewegen sich in den CQUIDs die magnetischen Flußquanten um elektrische Ladungen im Supraleiter. Den Aharonov-Casher-Effekt konnten Forscher experimentell bisher nur in Supraleitern mit gezielt präparierte Schwach­stellen, den Josephson-Kontakten, nachweisen.  

„Ob man das Phänomen ohne Josephson-Kontakte, also in einem Supraleiter ohne Schwachstellen, beobachten kann, wurde in der wissenschaftlichen Gemeinschaft bezweifelt. Es existierte bis jetzt kein geeignetes Material, welches die Flußquanten ungehindert durchdringen konnten“, erklärt Quantenphysiker Prof. Evgeni Il’ichev vom Leibniz-IPHT das wissenschaftliche Problem. Den entscheidenden Beitrag zur Realisierung des Experiments lieferten nun die ultradünnen, mittels Atomlagenabscheidung (ALD) gefertigten NbN-Schichten des Leibniz-IPHT.

ALD-Niobnitrid: Ein Material mit einzigartigen physikalischen Eigenschaften

Die Herausforderung für die Jenaer Forscher bestand darin, ein Material zu finden, dass ein quantenmechanisches Tunneln von magnetischen Fluß­quanten in bestimmten Bereichen der supraleitenden Struktur des CQUIDs, den Phase-Slip-Kontakten, zulässt. „Uns fielen die besonderen strukturellen und elektrischen Eigenschaften der mittels ALD erzeugten Schichten aus Niobnitrid auf. Eine spezielle Unordnung in der Kristallstruktur der Schichten ermöglicht erst das Tunneln der Flußquanten durch die zwei Einschnürungen in der CQUID-Struktur. Das heißt, sie können eine Barriere quantenmechanisch durchdringen – ein Phänomen, das in unserer klassischen Welt nicht möglich ist.“, so Dr. Sven Linzen, Physiker am Leibniz-IPHT. Dank intensiver Technologieforschung gelang es, die nur 3,3 Nanometer dicken NbN-Filme auf einen Silizium-Träger im Reinraum des Leibniz-IPHT aufzubringen. Aus ihnen präparierten die Partner um Prof. Oleg Astafiev am National Physics Laboratory (NPL) in London den neuen CQUID-Quantensensor, mit dem der Nachweis des Quanteneffekts gelang.

„Mit dem NbN-Material und dessen Herstellungstechnologie halten wir den Schlüssel zu einer bislang verschlossenen Tür der experimentellen Quantenphysik in der Hand. Wir stehen noch am Anfang, sehen die Anwendungsfelder der neuen Phase-Slip-Kontakte und Quantensensoren aber ebenso vielfältig wie die Einsatzgebiete der bekannten Josephson-Kontakte und SQUIDs. Denkbar sind die Entwicklung eines in der Elektronikindustrie dringend benötigten Standards zur präzisen Festlegung der Stromstärke in Analogie zum Josephson-Voltstandard, neue optische Detektorkonzepte oder ein Durchbruch bei der Realisierung anwendbarer Quantenbits als Grundbau­steine für zukünftige Quantencomputer“, blickt Dr. Sven Linzen in die Zukunft.

Die Originalveröffentlichung mit dem Titel „Charge quantum inter­ference device“ von Sebastian E. de Graaf, Sebastian T. Skacel, Teresa Hönigl-Decrinis, Rais Shaikhaidarov, Hannes Rotzinger, Sven Linzen, Mario Ziegler, Uwe Hübner, Hans-Georg Meyer, Vladimir Antonov, Evgeni Il’ichev, Alexey V. Ustinov, Alexander Tzalenchuk, Oleg V. Astafiev, erschien am 9. April 2018 in Nature Physics. https://doi.org/….

 

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