In der Anlage 15 (Migration) im technischen Anhang 1C der Tachographenverordnung war das Recht des Fahrers verankert, eine Generation 1 Fahrerkarte in eine Generation 2 Fahrerkarte umzutauschen. Ein solches Recht für den Umtausch einer Generation 2 Version 1 Fahrerkarte in eine Generation 2 Version 2 Fahrerkarte ist dort nicht thematisiert. Eine solche Möglichkeit des Umtausches wird aber aktuell gerade wieder einmal heiß diskutiert. Denn nach erfolgter Umrüstung des Fuhrparks oder zumindest ersten Teilen des Fuhrparks stellen viele Fahrer, Fuhrparkleiter und Unternehmer fest, dass die beim Smart Tacho 2 versprochene automatische Aufzeichnung eines Grenzübertritts in der Auswertungssoftware nicht angezeigt wird. Von mutmaßlich defekten Fahrtenschreibern über eine fehlerhafte Software bis hin zu einem Defekt der Fahrerkarte wird spekuliert.
Diese gesamte Thematik wird in der 7. Auflage des Buches „Digitale Fahrtenschreiber von A-Z“ sehr detailliert und ausführlich erklärt. In dem umfangreichsten Fachbuch zum Thema Fahrtenschreiber finden Fuhrparkleiter, Behördenvertreter und Trainer auf sämtliche Fragen rund um den digitalen Tacho eine Antwort. So wird zu der vorgenannten Problematik in Kapitel 1.2 erläutert, dass für die Speicherung von Informationen durch den Fahrtenschreiber auch die entsprechenden Felder auf der Fahrkarte vorhanden sein müssen. Die Datenstrukturen der Generation 2 Version 1 Fahrerkarten, welche zwischen Juni 2019 und Juli 2023 ausgegeben wurden, weisen keinen „Ordner“ für die Speicherung des automatischen Grenzübertritts auf. Erst die Fahrerkarten, die seit Juli 2023 ausgegeben wurden, haben in ihrer Datenstruktur das Feld „CardBorderCrossing“.
Eine G2 V2 Fahrerkarte ist an der Nummer der Typzulassung auf der Rückseite über dem Chip zu erkennen. Die Nummer lautet bei einer Karte der Generation 2 Version 2: 0030. Auf solchen Karten kann der automatisch aufgezeichnete Grenzübertritt eines Smart Tacho 2 auch gespeichert werden.
Wie bereits erwähnt, ist ein Umtausch einer G2 V1 Karte in eine G2 V2 Karte weder vorgesehen noch rechtlich notwendig. Natürlich ist es nicht auszuschließen, dass bei einer Straßenkontrolle speziell im Ausland unter Umständen die auf der Fahrerkarte fehlende Aufzeichnung des Grenzübertrittes beanstandet oder zumindest zu Diskussionen führen wird. Im Massenspeicher eines Smart Tacho 2 ist der Grenzübertritt aber natürlich gespeichert und kann somit bei einer Straßenkontrolle auch glaubhaft gemacht und nachgewiesen werden. Ist der Fahrer an diesem Tag jedoch mit einem anderen Fahrzeug unterwegs, so hilft dies in dem Moment nicht weiter. Ein gut geschulter Kontrolleur kann jedoch in dem Feld auf der Fahrerkarte „VehiclesUnitsUsed“ erkennen, dass der Fahrer zum Beispiel gestern mit einem Fahrzeug unterwegs war, welches bereits einen Smart Tacho 2 hatte.
Mit einem Smart Tacho 2 von Stoneridge gibt es diese Probleme im Übrigen nicht. Denn Stoneridge hat in den Smart Tacho 2 den sogenannten Grenzübertritts-Assistent implementiert. Dieser speichert auf einer G2 V1 Karte bei einem Grenzübertritt automatisch ein „Beginn Land“, als hätte der Fahrer es manuell erfasst. Mehr dazu findet sich in Kapitel 1.2 in vorgenanntem Buch „Digitale Fahrtenschreiber von A-Z“.
Aufgrund dieser ganzen Problematik wird von vielen Fahrern, Unternehmen und auch Verbänden der Ruf nach einem vorzeitigen Umtausch der Fahrerkarte laut. Davon ist jedoch aus verschiedenen Gründen dringend abzuraten:
1. Bei Ausgabe bzw. in der Regel schon bei Beantragung dieser neuen Fahrerkarte muss die alte Karte zwingend abgegeben werden, weil der Fahrer ansonsten zwei gültige Fahrerkarten in seinem Besitz hätte bzw. zumindest in der Datenbank beim KBA zwei gültige Fahrerkarten erscheinen. Dadurch ist es für den Fahrer bei einer Straßenkontrolle nicht mehr möglich, 56 Tage rückwirkend lückenlos nachzuweisen. Die oft propagierte Lösung mit Ausdrucken, wie bei einem Verlust, Defekt oder Diebstahl der Fahrerkarte, entbehrt jeder Rechtsgrundlage. Artikel 35 (2) VO (EU) 165/2014 ist hierzu eindeutig und abschließend!
2. Bevor die alte Fahrkarte bei Abholung der neuen Karte abgegeben werden kann, muss der Unternehmer diese Karte zwingend einmal auslesen, um die Daten zu archivieren, was meistens vergessen wird. Somit kann auch der Unternehmer nicht mehr für eine lückenlose Dokumentation der Daten sorgen. Nicht archivierte Daten können ein Bußgeld von 375 € (Fahrlässigkeit) bis 750 € (Vorsatz) nach sich ziehen – gemäß LV 48 sogar pro Tag.
3. Wird eine neue Fahrkarte in einen Fahrtenschreiber von VDO eingesteckt, so verlangt das Gerät einen Nachtrag für die vorangegangenen 28 Tage. Da die meisten Fahrer nach dem Einstecken der Karte bei der Frage nach dem Nachtrag nur so oft OK drücken bis das normale Standarddisplay erscheint, werden in dieser Situation 28 Tage Ruhezeiten nachgetragen. Hatte der Fahrer eben nicht 28 Tage Ruhezeit / Urlaub, ist dieser Nachtrag auf der neuen Karte natürlich falsch. Ein falscher Nachtrag stellt einen sehr schweren Verstoß (VSI) dar.
Bei einer Straßenkontrolle kann nun folgendes passieren:
Der Kontrolleur erkennt am Massenspeicher des Tachographen, dass gestern oder eben vor einigen Tagen eine Fahrerkarte mit dem gleichen Namen, aber einer anderen Kartennummer eingesteckt war. Da diese Art der mutmaßlichen „Manipulation“ nicht so selten ist, wird er zunächst davon ausgehen, dass der Fahrer zwei Fahrkarten benutzt. Selbst wenn man diesen Verdacht vor Ort aus dem Weg räumen kann, wird der Kontrolleur anhand der Massenspeicherdaten erkennen, dass der Nachtrag auf der Fahrerkarte für die vorangegangenen 28 Tage faktisch falsch ist. Wie bereits erwähnt, stellt der falsche Nachtrag, einen sehr schweren Verstoß dar, und kann mit Beträgen von 125 € – 250 € für den Fahrer und 375 € bis 750 € für den Unternehmer geahndet werden – nach dem Bußgeldkatalog sogar pro 24 Stunden Zeitraum, was in der Praxis so jedoch nicht gehandhabt wird.
Ist der Fahrer zum Zeitpunkt der Straßenkontrolle mit einem anderen Fahrzeug unterwegs als dem, dass er zum Beispiel die letzten Tage gefahren ist, fällt der Nachtrag mit Ruhezeit über 28 Tage dennoch auf. In der Regel wird der Kontrolleur den Fahrer dann zunächst befragen und dann gegebenenfalls einen Nachweis über die vorangegangenen 56 Tage einfordern. Besonders wichtig wird dem Kontrollbeamten der Nachweis der vorangegangenen Tages- und gegebenenfalls sogar Wochenruhezeit sein.
Innerhalb von Deutschland kann der Unternehmer das Problem eventuell telefonisch mit dem Beamten besprechen und nach einer Lösung suchen. Im Ausland wird das jedoch schon etwas schwieriger. Und im schlimmsten Fall kann eine ungeklärte Aufzeichnung / Ruhezeit zunächst zu einer Untersagung der Weiterfahrt führen, bis die Situation aufgeklärt ist.
Ausdrucke der vergangenen 56 Tage sind keine (rechtskonforme) Lösung!
Wie bereits erwähnt, ist ein vorzeitiger Umtausch im EU-Recht nicht vorgesehen. Daher kann auch nicht auf § 6 FPersV verwiesen werden, wonach bei einem legalen Umtausch bei Verlegung des Wohnsitzes gemäß Artikel 30 (2) VO (EU) 165/2014, der Fahrer die Ausdrucke seiner Tätigkeiten für die dem Umtausch vorausgehenden 28 Kalendertage ebenfalls
28 Kalendertage mitzuführen hat. Insbesondere im Ausland wird kein Beamter bei einer Straßenkontrolle „Lust“ haben, 56 Ausdrucke manuell zu überprüfen!
Ist es das alles wert?
Eine mutmaßlich fehlende Eingabe des Grenzübertritts, die vielleicht von einem Kontrolleur bemängelt wird, würde zum Beispiel in Deutschland mit höchstens 37,50 € zu Buche schlagen – wenn überhaupt, da es in § 23 (2) Nr. 12 am unmittelbaren Tatbestand fehlt. Im Vergleich zu den oben genannten Preisen geradezu ein Schnäppchen. Aber selbst im Ausland, und darum geht es ja im Grunde, beträgt das Bußgeld für die mutmaßlich fehlende Landeingabe definitiv einen Bruchteil der Sanktionen, die durch die Nummern 1-3 beschrieben worden sind. Und das natürlich immer nur, wenn es tatsächlich nicht gelingt, den Nachweis des automatisch gespeicherten Grenzübertritts über die Massenspeicherdaten zu beweisen oder wenigstens glaubhaft zu machen.
Wer tatsächlich Angst hat, wegen einer mutmaßlich fehlenden Landeingabe für den Grenzübertritt im Ausland zur Kasse gebeten zu werden, sollte statt einem Umtausch seiner Fahrkarte einen Ausdruck des betreffenden Tages vom Fahrzeug, also vom Massenspeicher, mitführen und gegebenenfalls bei einer Kontrolle vorlegen. Somit wäre der mit diesem Fahrzeug automatisch gespeicherte Grenzübertritt zweifelsfrei nachweisbar. Handelt es sich bei einer Kontrolle um das gleiche Fahrzeug, sind die Daten sowieso im Massenspeicher kontrollierbar.
Fazit:
Dieses Beispiel zeigt wieder einmal, dass die vermeintlich einfachste Lösung, um Problemen bei einer Kontrolle aus dem Weg zu gehen, nämlich der Umtausch der Fahrkarte in die neueste Version, nicht zwingend auch eine gute Idee ist. Die Nachteile einer solchen Aktion überwiegen eindeutig. Daher kann von einem vorzeitigen Umtausch der Fahrerkarte nur dringend abgeraten werden.
Um ein kleines Problem zu vermeiden, generiert man dadurch mehrere große Probleme, die noch dazu nicht unerhebliche Bußgelder nach sich ziehen können. Und speziell bei Kontrollen im Ausland, um die es ja schlussendlich bei der Initiative bzgl. Umtausch ging, kommt die große und teure Überraschung, ohne dass darauf Einfluss genommen werden kann. Bei einer Kontrolle in Deutschland wäre das o.g. vermeintliche Problem sowieso gar keines.
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