Gesetze sind eine Sache, ihre Durchsetzung eine andere. Die EU-Kommission hat daher im März Maßnahmen vorgeschlagen, die dem Grundsatz stärker Geltung verschaffen sollen, nach dem Frauen und Männern gleiches Entgelt für gleiche Arbeit zusteht. Stimmt das Europaparlament und der Europäische Rat diesen Vorschlägen zu, müsste auch das deutsche Entgelttransparenzgesetz (ETG) von 2017 spürbar nachgeschärft werden. Eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung Lurse zeigt, wie notwendig die Brüsseler Initiative ist: Deutsche Unternehmen schätzen ihre Lage in Sachen Fair Pay womöglich positiver ein als sie ist. Das kann teuer werden.

Bereits seit 1957 haben Frauen und Männer in Europa das Recht auf gleiches Entgelt bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit. Dennoch verdienen Frauen in der Europäischen Union im Schnitt noch immer rund 14 %1 weniger als Männer. Das geschlechtsspezifische Rentengefälle liegt infolgedessen sogar bei 30 %1. Insofern dies auf diskriminierende Regelungen zurückgeht, will Brüssel nun dagegen vorgehen. „Gleiche Arbeit verdient gleiches Entgelt. Und für gleiches Entgelt braucht man Transparenz“, erläuterte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihre Vorschläge. „Arbeitnehmerinnen müssen wissen, ob ihre Arbeitgeber sie fair behandeln. Sollte dies nicht der Fall sein, dann müssen sie sich zur Wehr setzen können und das bekommen, was ihnen zusteht.“ Die geplante Richtlinie sieht sowohl Maßnahmen für mehr Lohntransparenz vor als auch einen Mechanismus, der Betroffenen helfen soll, ihr Recht auf gleiches Entgelt besser durchzusetzen.

Was soll die neue EU-Richtlinie bewirken?
Zu den Mindestanforderungen des Kommissionsvorschlags gehört – ähnlich wie beim ETG – ein umfassendes Auskunftsrecht für Arbeitnehmer: Sie sollen Informationen über die Höhe des Entgelts sowie zum Durchschnittseinkommen bei gleicher oder gleichwertiger Tätigkeit erhalten. Für Diskriminierungsopfer soll sich der Zugang zur Justiz verbessern. Die Kommission will die Rolle von Gleichbehandlungsstellen und Arbeitnehmervertretern stärken, und es soll künftig möglich sein, im Namen der Arbeitnehmer Sammelklagen auf gleiches Entgelt anzustrengen. Im Fall von Diskriminierungen soll es einen Rechtsanspruch auf vollständige Entschädigung geben – einschließlich Entgeltnachzahlungen, den damit verbundenen Boni oder Sachleistungen sowie der Erstattung von Gerichtskosten.
Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten müssen nach dem Willen der Kommission künftig öffentlich und intern über geschlechtsspezifische Einkommensunterschiede berichten. Beträgt diese Differenz mehr als 5 % und lässt sie sich nicht durch objektive, geschlechtsneutrale Faktoren rechtfertigen, sollen die Arbeitgeber verpflichtet sein, die Entgelte gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern zu bewerten. Grundsätzlich müssen die Unternehmen nachweisen, dass keine Diskriminierung vorliegt. Nicht zuletzt sollen Verstöße gegen den Gleichheitsgrundsatz sanktioniert werden, etwa durch Geldstrafen.

Das deutsche ETG: Gesetz ohne Relevanz?
„Der Vorschlag der EU-Kommission stellt eine deutliche Verschärfung gegenüber dem deutschen Entgelttransparenzgesetz dar. Das betrifft vor allem den Anspruch auf Nachzahlungen, die Beweislastumkehr und mögliche Sanktionen im Falle von Diskriminierungen“, sagt Desirée Genovese, Senior Consultant der Unternehmensberatung Lurse. „Eigentlich wollte der Bundestag mit dem ETG schon 2017 den Gender Pay Gap schließen, die daran geknüpften Erwartungen haben sich aber nicht erfüllt.“ Das zeigt auch die Studie „Auswirkungen des Entgelttransparenzgesetzes und der Umgang mit Fair Pay“, für die Lurse kürzlich Teilnehmer aus 80 Unternehmen aus verschiedenen Branchen befragt hat.
Bei der übergroßen Mehrheit der Unternehmen (88 %) haben seit der Verabschiedung des ETG nur 0 bis 5 % der Beschäftigten überhaupt Auskunft zur Entgeltgerechtigkeit verlangt. Besonders überraschend bei einem Gesetz, das vor allem weiblichen Beschäftigten zu gleichem Lohn verhelfen soll: Ein Drittel derer, die wissen möchten wie sie im Vergleich zu ihren Kollegen gehaltstechnisch dastehen, sind Männer.
Die meisten Unternehmen billigen dem ETG nur geringe Relevanz zu. Lediglich 4 % der Befragten sind der Meinung, das Gesetz habe sich positiv auf ihr Unternehmen ausgewirkt und nur 16 % finden, dass es zu einer verbesserten Diskussion über das Thema Fair Pay geführt hat. Nur 11 % sagen, dass es in ihren Unternehmen Handlungsbedarf wegen einer Entgeltlücke gebe. Mehr als ein Drittel (37 %) findet, bei ihnen sei die Entgeltgleichheit bereits verwirklicht. Was die allgemeine Chancengleichheit angeht, sehen sich 80 % auf einem guten Weg oder sogar bereits am Ziel. So weit, so harmonisch.

Ehrliche Selbsteinschätzung ist gefragt
Haben Deutschlands Arbeitgeber von einer Verschärfung des ETG also nichts zu befürchten? Die Statistik sagt etwas anderes: Danach liegen hierzulande sowohl der Gender Pay Gap mit 19,2 %² als auch das geschlechtsspezifische Rentengefälle mit 36,3 %3 deutlich über dem EU-Durchschnitt. „Unsere Studie hat ergeben, dass deutsche Unternehmen sich wegen des ETG bisher wenig Kopfzerbrechen machen und sich in Bezug auf gerechte Entgelte womöglich in etwas hellerem Licht sehen, als angebracht wäre“, sagt Birgit Horak. „Diese Fehleinschätzung kann in Zukunft teuer werden. Denn die neue EU-Richtlinie könnte dem deutschen Gesetz stärkere Klauen und Zähne verleihen.“ Schon die Aussicht auf Entgeltnachzahlungen dürfte die Zahl der Auskunftsbegehren ansteigen lassen. Und mögliche Sanktionen erhöhen das unternehmerische Risiko zusätzlich.
Immerhin:  Anders als dem deutschen ETG wird der Brüsseler Initiative größere Bedeutung beigemessen. Nach der Lurse-Studie sieht sich fast jedes dritte Unternehmen (32 %) durch den Kommissionsvorschlag vor große Herausforderungen gestellt. Dieser Erkenntnis sollten aber auch Taten folgen. Deutschlands Arbeitgeber sind gut beraten, wenn sie jetzt die Gelegenheit nutzen, das noch bestehende Entgeltgefälle zwischen Männern und Frauen endgültig einzuebnen.

1 Europäische Kommission (03/2021): Factsheet Lohntransparenz: gleiches Entgelt für Frauen und Männer bei gleicher Arbeit
2 Eurostat (online data code: sdg_05_20), Daten beziehen sich auf 2019
3 Statista (2019): Europäische Union: Geschlechtsspezifisches Rentengefälle (Gender Pension Gap) in den Mitgliedstaaten im Jahr 2019

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