Das Klimaschutzgesetz vom 18.12.2019 wurde als in Teilen verfassungswidrig erklärt. Das Bundesverfassungsgericht verpflichtet die Bundesregierung in einer Nachbesserung, die Rechenweise von CO2-Budgets zu berücksichtigen und erhebt gleichzeitig das 1,5°C-Ziel des Abkommens von Paris in den Verfassungsrang. Laut IPCC wird das deutsche CO2-Buget 2030 aufgebraucht sein: Der bisherige Reduktionspfad würde zunehmende und nicht zu rechtfertigende Freiheitseinschränkungen in der Zukunft verursachen.

Welche Ziele beschließt das Kabinett?

Die Bundesregierung zieht das Datum zum Erreichen der Klimaneutralität Deutschlands um 5 Jahre auf 2045 vor. Um dies zu erreichen, werden die Zwischenziele für 2030 auf 65% (vorher 55%) Reduktion und für 2040 auf 88% Reduktion angepasst. Das Vergleichsjahr bleibt 1990. Um das Erreichen der höheren Ziele sicherzustellen, sollen auch die tonnenscharfen jährlichen Sektorziele für die Jahre 2023 bis 2030 erhöht werden. Die maximal zulässige Jahresemissionsmenge für die Industrie soll z.B. im Jahr 2030 nun nur noch 118 Mio. t CO2e statt wie bisher 140 Mio. t CO2e betragen. Für den Sektor Energiewirtschaft gelten nun analog 108 Mio. t CO2e anstelle von 175 Mio. t CO2e.

2028 soll in einem Bericht geprüft werden, ob Sektorziele ab 2031 weiterhin notwendig sind.

Was beinhalten die Sofortmaßnahmen?

Die Jahresemissionsmengen für die Sektoren werden für die Jahre 2023 bis 2030 angepasst. Als Schwerpunkte des Programms werden u.a. ein Investitionspakt mit der Industrie, das Hochfahren der Wasserstoffwirtschaft und der Abbau klimaschädlicher Subventionen genannt.

Hintergrund des Urteils

Umweltverbände und Betroffene legten Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung der Sorgfaltspflicht, Verletzung des Klimaschutzgebotes und zukünftiger Freiheitsbeschränkung ein. In letzterem Punkt wurde den KlägerInnen Recht gegeben.

Das Bundesverfassungsgericht (BVG) beruft sich auf §20a GG, das Pariser Abkommen und die Freiheitsrechte kommender Generationen. Neu ist, dass letztere zum ersten Mal die Möglichkeit haben, für ihre Rechte einzustehen.

„Die zum Teil noch sehr jungen Beschwerdeführenden […] in ihren Freiheitsrechten verletzt. Die Vorschriften verschieben hohe Emissionsminderungslasten unumkehrbar auf Zeiträume nach 2030. […]

Der Gesetzgeber hätte Vorkehrungen zur Gewährleistung eines freiheitsschonenden Übergangs in die Klimaneutralität treffen müssen.“ (Pressemitteilung Nr. 31/2021 vom 29. April 2021 des Bundesverfassungsgerichts)

Das BVG argumentiert, dass der Staat dazu verpflichtet sei, das vom IPCC errechnete globale Treibhausgasbudget zu beachten und mit anderen Staaten zu kooperieren. Die wissenschaftliche Ungewissheit dürfe dabei keine Ausrede sein. Obwohl das BVG feststellt, dass das Treibhausgasbudget bis 2030 wahrscheinlich aufgebraucht sein werde, ergibt sich wegen großer Unsicherheiten keine Verletzung der Sorgfaltspflicht, wenn die Treibhausgasemissionen bis 2030 nur um 55% gesenkt würden. Daraus folgt jedoch mit sehr großer Sicherheit, dass die verbleibenden 45% in wenigen Jahren nach 2030 reduziert werden müssten, um das Treibhausgasbudget nicht zu überreizen. Dieses Szenario sei verfassungswidrig, da es zwingendermaßen Grundrechte nach 2030 einschränkt. Der Staat sei also verpflichtet, das Treibhausgasbudget „vorausschauend in grundrechtsschonender Weise über die Zeit zu verteilen.“

Weiterhin erklärt das BVG das Verfahren zur Bestimmung des Reduktionspfades nach 2030 für verfassungswidrig. Bisher verpflichtet das Klimaschutzgesetz eine zukünftige Regierung nur zur einmaligen Festlegung eines weiteren Reduktionsziels 2025. Dieses Vorgehen sei nicht rechtzeitig und verpflichte nicht in ausreichender Weise, einen angemessenen Reduktionspfad festzulegen. Alle wesentlichen Fragen müsse der Bundestag im Gesetz regeln und die Vorgaben für die Zukunft dann auch regelmäßig fortschreiben.

Folgen des Urteils

Die Ziele des Abkommens von Paris werden faktisch in den Verfassungsrang gehoben. Je weiter der Klimawandel voranschreitet, umso mehr Gewicht hat dieses Klimaschutzgebot gegenüber anderen Interessen. Zum einen ist nun klar, wer warum gegen die deutsche Klimapolitik klagen kann: alle, die durch spätere Maßnahmen in ihren Freiheitsrechten beschränkt sein werden. Es geht also nicht um die Einschränkungen durch die Klimapolitik selbst, sondern durch die später unvermeidlich strenger zu gestaltenden staatlichen Klimaschutzmaßnahmen.

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