Das Kunstwerk "Zwei Graue Doppelspiegel für ein Pendel" von Gerard Richter konfrontiert den Besucher mit der Vorstellung von Wirklichkeit. Das hat mich als Unternehmer nachdenklich gemacht. Fragen, die wir uns als Führungskraft stellen können.

Das Kunstwerk "Zwei Graue Doppelspiegel für ein Pendel" des in Dresden geborenen Gerard Richter befindet sich in einer profanierten Dominikanerkirche in Münster. Es handelt sich um ein Foucaultsches Pendel, das, aufgehängt in der ca. 30 m hohen Kuppel des Gebäudes, unablässig über einer runden Bodenplatte schwingt – so die Erdrotation zeigend. Zusammen mit vier in unterschiedlichen Grau-Tönen bedampften, paarweise an gegenüberliegenden Wänden aufgehängten Spiegeln, bildet es eine faszinierend-tiefgründige Kunst-Einheit, die den Betrachter mit der Begrenztheit der eigenen Wahrnehmung konfrontiert.*

Das Miteinander des Verschiedenen

Naturwissenschaft, Technik, Architektur, Skulptur und Malerei und die Besucher selbst bilden bei diesem Kunstwerk ein „Miteinander des Verschiedenen“*. Es entsteht eine faszinierende Einheit mit tiefgründiger Aussagekraft. Nicht zufällig, sondern bewusst arrangiert.

Das ist es, was auch unsere Unternehmen und unsere Teams so faszinierend macht: Die Vielfalt der Persönlichkeiten unserer Mitarbeiter, ihrer Herkunft, ihrer Talente und ihrer Fähigkeiten, deren Miteinander unerwartete Ideen und herausragende Leistungen hervorbringen kann, wenn wir sie gut führen. Und das beginnt mit dem Arrangement, das heißt mit dem Einsatz der Mitarbeiter dort, wo sie ihre Stärken optimal einsetzen und so die größte Wirkung erzielen können. Wie oft beschäftigen wir uns mit diesem Arrangement? Haben wir unsere Mitarbeiter einmal gefragt, welche Stärken sie haben?

Die Doppelspiegel – Erkennen aus anderen Blickwinkeln

In den gegenüberliegenden Doppelspiegeln von je 1,34mx6m beginnt das Sehen, sich selbst zu sehen. Das betrachtende Subjekt wird in der Spiegelung auf sich selbst zurückgeworfen* – eine kluge Idee zur Verdeutlichung der Begrenztheit der eigenen Wahrnehmung. Bewegt sich der Betrachter, verändert er den Winkel, setzt sich sein Bild neu zusammen. * In den Spiegeln werden Details erkennbar, deren direkte Sicht durch Säulen versperrt ist.

In unseren Unternehmen und Teams sind unsere Mitarbeiter die Spiegel, die unsere Einstellung, unser Verhalten und unsere Sichtweisen als Führungskraft reflektieren. Wir sehen die Ergebnisse täglich – erkennen wir sie auch – beziehungsweise wollen wir sie erkennen? Welch Chance haben wir, unser Führungsverhalten täglich aufs Neue zu überprüfen und zu verändern!

Nutzen wir Führungskräfte die Möglichkeit, Spiegel für unsere Mitarbeiter zu sein? Mit Fragen können wir immer wieder den Winkel verändern, aus dem unsere Mitarbeiter auf sich selbst schauen können. Wir oft behaupten und beurteilen wir jedoch, statt Fragen zu stellen? Ist es nicht sinnvoller, viel mehr Fragen zu stellen, um so unseren Mitarbeiter die Chance zu geben, immer wieder neue Aspekte an sich selbst zu erkennen? Wir wollen doch starke Mitarbeiter, die selbstbewusst sind und die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen – oder etwa nicht? Was können wir dann Besseres tun, als unsere Mitarbeiter zu einer erweiterten Vorstellung von sich selbst zu führen!

Die Bodenplatte –Erfahrung nutzen und mehr delegieren

Die Bodenplatte besteht aus einem 380 Millionen Jahre alten Sedimentgestein, einem Material, das sich aus Ablagerungen unzähliger Jahre gebildet hat. Nun ist das eine Dimension an sich, jedoch wage ich auch hier eine Parallele zu unseren Unternehmen: Bei x Mitarbeitern mit im Mittel y Jahren Erfahrung: über wieviel hunderte / tausende Jahre an Knowhow verfügen wir? Diese Art von „Ablagerungen des Lebens“ findet zwar keinen Eingang in ein Kunstwerk, bildet jedoch genau den fruchtbaren Boden, der kreative und erfolgsversprechende Lösungen und gute Entscheidungen hervorbringen kann. Doch in welchem Umfang nutzen wir das? Wie konsequent delegieren wir Verantwortung und Entscheidungen genau dorthin, wo sich die meiste Kompetenz befindet?

Das Pendel – Erkenntnisraum erweitern

Und dann das Verhältnis des Pendels zur Platte: instinktiv befindet der geneigte Besucher: Beeindruckend, wie das Pendel sich Grad für Grad wie ein Uhrzeiger weiterbewegt. Aber so ist es ja gar nicht: Die Platte bewegt sich unter dem Pendel mit der Geschwindigkeit der Erdrotation.

Das führt uns einmal mehr vor Augen: Wir Menschen können nur erkennen, was wir kennen. Das gilt auch für uns Führungskräfte, auch wenn es dem ein oder anderen schwerfallen mag, das zuzugeben. Jedoch – was bringt es uns, wenn wir darauf beharren, dass das Pendel sich im Uhrzeigersinn bewegt?

Lasst uns dazu stehen und hier eine weitere große Stärke unserer Unternehmen nutzen, nämlich unseren Raum der Erkenntnis zu erweitern. Beteiligen wir unsere Mitarbeiter viel mehr daran, die richtigen Ziele zu finden und schlagkräftige Strategien zu entwickeln. Welch riesiges Potential an Erkenntnisgewinn für uns Führungskräfte! Von einer hohen Motivation und Loyalität der Mitarbeiter einmal abgesehen, wenn es „Ihr Ding“ ist, das sie zum Erfolg führen können.

Die Skala – Illusionen enttarnen und Querdenken anregen

Bereits zwei Jahrhunderte vor Christus hatte sich die Zwölferteilung des Kreises etabliert. * Gerhard Richter dreht es um: Er wählt die Dreißiger Teilung einer 360° Skala, die mit den daraus entstehenden 12°-Segmenten eine Stunde anzeigt. Das ist Ergebnis seines Querdenkens. Zugleich bewirkt es die Illusion, das Pendel bewege sich über der Platte im Uhrzeigersinn. In der Realität ist es jedoch umgekehrt: die Platte bewegt sich unter dem Pendel gegen den Uhrzeigersinn.

Wenn wir unsere Mitarbeiter mehr an Zielfindung und Strategie beteiligen, reduzieren wir das Risiko, Illusionen zu unterliegen. Haben wir Mut und ermuntern wir unsere Mitarbeiter zum Querdenken. Geben wir Ihnen Sicherheit, dass der Wandel Prinzip ist, erhöhen sich die Chancen, völlig neue Herangehensweisen an unternehmerische Herausforderungen zu finden.

Autor: Autor: Dr. Markus Schotters, Baudenbacher Training und TAB Dresden

Links
https://www.stadt-muenster.de/dominikanerkirche.html
https://www.stadt-muenster.de/dominikanerkirche/webcam.html

* Im Folgenden lehne ich mich eng an die „Ausführliche Beschreibung des Werks“ von Dr. Gail Kirkpatrick und Marcus Lütkemeyer – download auf https://www.stadt-muenster.de/dominikanerkirche.html

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