Die Verwendung von Nickel als Metall unterliegt einer Beschränkung. Sie ist niedergelegt im Eintrag 27 zum Anhang XVII von REACH, der Europäischen Chemikalienverordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (siehe Kasten). Die wesentlichen Formulierungen sind recht eindeutig – lediglich der Abschnitt 1(b) ist seit einigen Monaten heftig umstritten. Der Zentralverband Oberflächentechnik e.V. (ZVO) nimmt hierzu Stellung:

Folgende Formulierungsbestandteile des Abschnitt 1(b) sind relevant:

Betroffen sind
 

  • articles (Erzeugnisse)
  • intended to (dazu vorgesehen)
  • come into direct and prolonged with the skin (in direkten, anhaltenden/ausgedehnten/verlängerten Hautkontakt zu kommen)
  • if the rate of nickel release (…) is greater than 0.5µg/cm2/week (wenn die Nickellässigkeit (…) größer ist als 0,5µg/cm2/Woche.)

Auslöser für die kontroverse Diskussion und große Nervosität im Markt ist der Entwurf einer Guideline der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), die verdeutlichen soll, welche Bauteile betroffen sein könnten[1]. Sie fußt unter anderem auf der Definition des „prolonged contact“ aus dem Jahre 2014[2]. Laut ECHA basiert die Definition des „ausgedehnten Hautkontaktes“ auf einer streng wissenschaftlichen Herleitung und bildet damit auch die Basis der Guideline. Die darin beispielhaft aufgeführten Artikel entsprächen dem Sinne der Beschränkung.

Basis der gesamten Definition ist somit zunächst die Definition des „ausgedehnten Hautkontakts“ selbst. Bei der genauen Betrachtung dieser Herleitung entstehen jedoch Zweifel an der wissenschaftlichen Aussagekraft:

„Ausgedehnter Hautkontakt ist definiert als Kontakt der Haut mit Nickel von möglicherweise länger als zehn Minuten an drei oder mehr Gelegenheiten in zwei Wochen, oder 30 Minuten an einer oder mehr Gelegenheiten in zwei Wochen.“ (“Prolonged contact with the skin is defined as contact with the skin of nickel of potentially more than 10 minutes on three or more occasions within two weeks, or 30 minutes on one or more occasions within two weeks.”)

Zunächst ist das Ergebnis selbst überraschend! Es wird schwierig sein, eine wissenschaftliche Begründung für einen Wirkmechanismus zu finden, der zu einem derartig unstetigen Ergebnis führt. Was ist zum Beispiel mit viermal acht Minuten in zwei Wochen? Oder zweimal 20 Minuten in zwei Wochen? In die Definition fallen diese Varianten nicht. Plausibel ist es aber auch nicht.

Dann verwendet die Definition den Ausdruck „möglicherweise“ („potentially“), während die Beschränkung eindeutig von „dazu vorgesehen“ („intended to“) ausgeht. Eindeutig geht die ECHA hier über die Formulierung des Gesetzgebers hinaus.

Für die wissenschaftliche Begründung des Ergebnisses zieht sie zunächst zahlreiche Studien über die Wirkung von Nickel auf die menschliche Haut heran. Jedoch werden ausschließlich Studien an bereits nickel-sensibilisierten Personen herangezogen (Seite 11 der Definition, siehe Kasten). Natürlich sind mit den Ergebnissen automatisch auch weit unempfindlichere Personen geschützt. Allerdings stellt sich die Frage, ob der Gesetzgeber einen derart weitgehenden Schutz vorgesehen hatte – die Formulierung des Eintrages 27 klingt eher allgemein. Führt also die Ausdehnung des Schutzziels durch die ECHA zu einem weiteren Fall der Überregulierung?

Im zweiten Schritt der Herleitung betrachtet die ECHA Studien zur Freisetzung des Nickels über die Zeit. Beispiel einer solchen Studie zeigt die Abbildung 1.

Bei Betrachtung dieser Ergebnisse kommt die ECHA zu dem Schluss, dass die wesentliche Menge von Nickel bereits in den ersten Stunden freigesetzt wird – woraufhin die kurzen definierten Zeiten plausibel erscheinen. ECHA hinterfragt jedoch nicht, ob und inwieweit dieser Zusammenhang materialabhängig ist. Zudem ignoriert sie, dass eben nach der ersten kurzen Zeitperiode die freigesetzte Menge stark abnimmt. Folglich wäre ein Artikel nach längerem Gebrauch nahezu unbedenklich. Eine Festlegung auf den realen Zusammenhang wäre nur nach wissenschaftlich begründeter Ermittlung eines Mechanismus möglich, um den sich die ECHA in der Definition jedoch nicht bemühte.

Die Studien über Nickelfreisetzung werfen weitere Fragen über die wissenschaftliche Herangehensweise der ECHA auf (siehe Abbildung 2 = Tabelle 2 aus dem Originaltext der Definition).

Die ECHA diskutiert nicht die extrem abweichenden Ergebnisse. Studien von Julander et al. (Zeile 2) und Studien des Karolinska Instituts in Schweden, Arbeitskreis Lidén et al. (Zeile 4) unterscheiden sich im Bereich 30 Minuten bis 1 Stunde um den Faktor 3 bis 5. Weitere Angaben des Arbeitskreises Lidén et al. (Zeile 3) weichen extrem von den eigenen, späteren Ergebnissen ab. Ganz besonders auffällig ist, dass die ECHA sich auf unveröffentlichte Resultate bezieht. Dies ist in der wissenschaftlichen Arbeitsweise jedoch nicht vorgesehen. Ergebnisse müssen unabhängig reproduzierbar sein. Andernfalls sind sie nicht überprüfbar und für Schlussfolgerungen nur bedingt geeignet. Dennoch wiederholt die ECHA diese Vorgehensweise mehrfach (siehe Definition auf Seite 4, 6 (drei unveröffentlichte Zitate), 7 (zwei unveröffentlichte Zitate) und 10. Die Repräsentativität der Daten ist daher fraglich.

Die ECHA verschärft das Schutzziel erneut (Seite 8 der Definition), indem sie einen willkürlichen Faktor 2 implementiert. Zitat:

„To take into account the higher skin permeability/sensitivity of the areas where e.g. jewellery are generally worn compared to skin of the back which is used in clinical tests, a factor of 2 should be applied to cover higher skin permeability/sensitivity and area.“

Der übliche Prüfbereich auf dem Rücken wird als weniger sensibel angesehen als zum Beispiel Bereiche, an denen Schmuck getragen wird. Dem wird durch einen Faktor 2 Rechnung getragen. Allerdings soll die Beschränkung nicht nur für Schmuck und die davon betroffenen Hautbereiche gelten, was die Guideline von ECHA mehr als deutlich macht. Hier werden Schlüssel, Werkzeuge und Gebrauchsgegenstände aufgeführt. Die davon betroffenen Hautbereiche wie Hände werden jedoch sicher eine geringere Sensibilität aufweisen.

Die Zusammenfassung der Ergebnisse führt die ECHA zu folgendem Schluss (Zitat Seite 9):

„Taking together, the information from clinical patch tests with liquids and tests using alloys indicate that exposure to 0.023 – 0.067 µg Ni/cm2 could cause skin reactions to low amounts of Ni-sensitised individuals. This value is within the range of measured release values of 0.02-0.068 µg/cm2 /1 hour from alloys.”

Der Faktor 2 führt bemerkenswerterweise fast exakt auf den für die Freisetzungsrate von Legierungen ermittelten Wert. Auffällig ist jedoch, dass selbst unter diesen verschärften Bedingungen nur eine geringe Anzahl der nickel-sensibilisierten Probanden („low amounts of Ni-sensitised individuals“) eine Hautreaktion zeigten.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Definition im Ergebnis wissenschaftlich unvollständig, wenig plausibel und für reale Fälle nicht anwendbar ist. Der Beschränkungsbereich der Entry 27 wird unbegründet ausgeweitet. Durch einseitige Datenauswahl wird das Risiko überschätzt – damit entsteht eine unnötige Überregulierung. Die Herleitung betrachtet die wissenschaftlichen Ergebnisse nicht vollständig und die Repräsentativität der Daten ist zumindest nicht eindeutig. Letztlich wird durch einen unbegründeten Faktor ein willkürliches, zusätzliches Vorsorgeprinzip eingeführt.

Die Definition des anhaltenden Hautkontakts führt über die Guideline der ECHA zu unabsehbaren Folgen für die Wirtschaft. Derartige Konsequenzen müssen sorgfältige, objektive Gründe voraussetzen. Diese sind durch die oben genannten Fakten mehr als in Frage gestellt.

Außerdem müssen einer Regulierungsmaßnahme signifikante Fallzahlen zugrunde liegen. Dies ist jedoch weder für die Zehn-Minuten-/30-Minuten-Definition belegbar, noch sind sie jenseits von Schmuck und Piercings auch nur ansatzweise epidemiologisch.

Die Definition bedarf dringend einer sorgfältigen wissenschaftlichen Überarbeitung. Sie ist weder als Grundlage zur Durchsetzung der Beschränkung, noch für die Abfassung einer diesbezüglichen Guideline geeignet.

Der ZVO ist hier bereits aktiv geworden: In Veröffentlichungen, Fachtagungen und Kommentaren positioniert er sich klar gegenüber der ECHA. Die entsprechenden Positionspapiere sind auf zvo.org/Publikationen zu finden.

Eintrag 27, Anhang XVII von REACH:
Nickel

1. Shall not be used:

(a) in any post assemblies which are inserted into pierced ears and other pierced parts of the human body unless the rate of nickel release from such post assemblies is less than 0,2 μg/cm²/week (migration limit);

(b) in articles intended to come into direct and prolonged contact with the skin such as:

– earrings,

– necklaces,

– bracelets and chains, anklets, finger rings,

– wrist-watch cases, watch straps and tighteners,

– rivet buttons, tighteners, rivets, zippers and metal marks, when these are used in garments,

if the rate of nickel release from the parts of these articles coming into direct and prolonged contact with the skin is greater than 0,5 μg/cm²/week. (c) in articles referred to in point (b) where these have a non-nickel coating unless such coating is sufficient to ensure that the rate of nickel release from those parts of such articles coming into direct and prolonged contact with the skin will not exceed 0,5 μg/cm²/week for a period of at least two years of normal use of the article.

2. Articles which are the subject of paragraph 1 shall not be placed on the market unless they conform to the requirements set out in that paragraph.

3. The standards adopted by the European Committee for Standardisation (CEN) shall be used as the test methods for demonstrating the conformity of articles to paragraphs 1 and 2.”

Definition “building of prolonged contact” (Seite 11):

“Starting from the time-related information on Ni release from alloys combined with information on Ni-sensitised subject’s reactions to different doses, and information on skin uptake and penetration, it was estimated which contact time would sufficiently protect Ni-sensitised and not yet sensitised subjects from contact dermatitis.“ 

Über die Galvano- und Oberflächentechnik:

Die Galvano- und Oberflächentechnik ist eine mittelständisch geprägte Industriebranche, die europaweit rund 440.000 Mitarbeiter beschäftigt, davon 50.000 in Deutschland. Allein in Deutschland erwirtschaftet die Branche einen Umsatz von ca. 7,5 Mrd. EUR. Die Struktur der Galvanobetriebe wird dabei von KMUs dominiert, nur ein geringer Anteil der Betriebe erreicht Größen von mehr als 100 Mitarbeitern. Die Oberflächenbranche ist eine Schlüsselindustrie, deren Dienstleistung Voraussetzung für die Funktionalität von Bauteilen, Geräten und Maschinen nahezu jeder anderen Branche ist. Die Galvanotechnik verhindert dabei jährlich Korrosionsschäden von ca. 150 Mrd. EUR. Galvanotechnik ermöglicht eine zuverlässige Funktionalität einer Vielzahl unterschiedlichster Bauteile: Kein Auto verlässt mehr das Band, bei dem nicht wesentliche Teile oberflächenveredelt sind. Die moderne Medizintechnik ist ohne neuere Verfahren der Oberflächentechnik nicht denkbar, aber auch Bauwirtschaft und Sanitärindustrie, die Elektrotechnik und die Elektronikindustrie sowie die Flugzeugindustrie kommen ohne Oberflächenveredelung nicht aus.

Mehr Informationen: www.zvo.org

[1] Erster Entwurf Jan 2017: https://echa.europa.eu/…

[2] https://echa.europa.eu/…

Über den Zentralverband Oberflächentechnik e.V.

Der Zentralverband Oberflächentechnik e.V. (ZVO) nahm seine Arbeit am 1. Januar 2000 auf. Mit steigenden Anforderungen an die Branche wurde die Interessenvertretung weiter konzentriert und der ZVO zum Wirtschaftsverband mit reinen Firmenmitgliedschaften umstrukturiert. Aktuell haben sich 230 Unternehmen dem ZVO angeschlossen, der ein starkes Wachstum verzeichnet. Insgesamt repräsentiert der ZVO über seine körperschaftlichen Mitglieder BIV, DGO, FGK und FiT über 600 Mitgliedsunternehmen.

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