Der BGH hat die Anforderungen und Haftungsrisiken des Steuerberaters bei Insolvenzreife seines Mandanten entscheidend verschärft (Urteil vom 26.01.2017 – IX ZR 285/14). Abweichend von seiner früheren Rechtsprechung (vgl. BGH, ZIP 2013, 829) ist der IX. Senat nunmehr der Ansicht, dass eine Haftung nach §§ 280 Abs. 1, 675 Abs. 1 BGB wegen der Verletzung einer Hinweis- und Warnpflicht in Betracht kommt, wenn der Steuerberater das Vorliegen eines Insolvenzgrundes erkennt oder für ihn ernsthafte Anhaltspunkte bestehen, dass ein Insolvenzgrund vorliegen könnte. Zudem muss er davon ausgehen, dass seinem Mandanten die mögliche Insolvenzreife nicht bekannt ist. Solche Anhaltspunkte können für den Steuerberater beispielsweise dann erkennbar sein, wenn die Jahresabschlüsse der Gesellschaft in aufeinanderfolgenden Jahren wiederholt nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbeträge aufweisen. In diesem Fall hat der Steuerberater seinem Mandanten konkrete Hinweise für den Einzelfall zu erteilen. Es genügt nicht, wenn der Steuerberater nur auf die allgemeinen Prüfungspflichten des Geschäftsführers verweist. Der BGH stützt sich dabei auf § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB. Danach hat der Steuerberater zu prüfen, ob die Bilanzierung zu Fortführungswerten im Einzelfall noch vertretbar ist. Allerdings ist der Steuerberater nicht verpflichtet von sich aus, eine Überschuldungsprüfung vorzunehmen.

Aus dieser Änderung der Rechtsprechung ergeben sich erhebliche Konsequenzen für die Haftung von Steuerberatern bei der Beratung von Krisenmandaten, aber auch für Wirtschaftsprüfer. Steuerberater müssen nunmehr ihre Mandanten detailliert und konkret auf das Risiko einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung hinweisen. Auf der anderen Seite bietet die neue Rechtsprechung die Möglichkeit, Insolvenzrisiken frühzeitig zu kommunizieren und somit rechtzeitig die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen einzuleiten. Damit kann die Gefahr der Insolvenzverschleppung in Zukunft gemindert werden. Die Risiken für den Steuerberater sollten auf keinen Fall unterschätzt werden, zumal bisher nur wenige Steuerberater beispielsweise mit der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit als Insolvenzantragsgrund routinemäßig Erfahrung sammeln konnten.

Die Prüfung des Fortführungsprinzips (auch Going-Concern-Prinzip oder Grundsatz der Unternehmensfortführung) i.S.d. § 252 Abs. 1 HGB ist zudem integraler Bestandteil des Aufgabenfeldes der Wirtschaftsprüfer (§ 2 Abs. 1 und 2 Wirtschaftsprüferordnung). Im Bestätigungsvermerk soll auf die Fortführungsprognose des Unternehmens hingewiesen werden. Außerdem hat der Wirtschaftsprüfer nach § 322 Abs. 2 Satz 3 und 4 HGB auch auf Risiken hinzuweisen, die den Fortbestand des Unternehmens oder einer wesentlichen Tochtergesellschaft gefährden. Damit wird sich das Urteil des IX. Senats auch auf die Arbeit der Wirtschaftsprüfer auswirken.

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