Auf Bauprodukten, die nach europäischen Normen geregelt sind, darf das Ü-Zeichen nicht mehr angebracht werden, um die Erfüllung weitergehender nationaler Anforderungen zu bestätigen. Stattdessen ist die alleinige CE-Zertifizierung Pflicht. So bestimmt es ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus 2014, das nach einer 2-jährigen Übergangsfrist seit Mitte Oktober letzten Jahres umzusetzen ist (Rechtssache C-100/13). Seither sind die nationalen Bauregellisten weitestgehend außer Kraft gesetzt; aktuell noch gültige allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen (abZ) bzw. allgemeine bauaufsichtliche Prüfzeugnisse (abP) gelten längstenfalls noch bis zu ihrem Ablauftag. Die Konsequenz: Als Ersatz für fehlende ergänzende nationale Anforderungen an die Bauprodukte müssen nunmehr Bauherren, Planer und Unternehmer gegenüber der Bauaufsicht nachweisen, dass die verwendeten europäisch harmonisierten Bauprodukte geeignet sind, an das Bauwerk gestellte Anforderungen zu erfüllen.

Besondere nationale Anforderungen, die über das in allen EU-Staaten einheitlich geltende Niveau hinausgehen, dürfen an Bauprodukte nicht mehr gestellt werden. Soweit dies bisher auf europäisch geregelte Bauprodukte zutraf, sieht der Europäische Gerichtshof darin einen nicht hinnehmbaren Verstoß gegen die Prinzipien des freien Warenverkehrs innerhalb der Europäischen Union. Um derartige Handelshemmnisse aus dem Weg zu räumen, muss Deutschland auf Geheiß des EuGH die Anforderungen an Bauprodukte auf gleichem Niveau wie alle anderen EU-Mitgliedsstaaten regeln. Das führt jedoch dazu, dass wichtige Eigenschaften in der Praxis nicht mehr vollständig nachgewiesen und zugesichert werden.

Gefährliche Lücken

Nichtsdestotrotz müssen alle Baubeteiligten zumindest vorläufig mit der EuGH-Entscheidung leben. Die Gütegemeinschaft Nagelplattenprodukte e.V. (GIN) weist daher in aller Deutlichkeit darauf hin, dass in vielen europäischen Bauproduktnormen wesentliche Anforderungen fehlen. Daraus resultieren gravierende Sicherheitslücken, die das Bauen für alle Projektbeteiligten zu einem Abenteuer mit ungewissem Ausgang machen können. Daher wird empfohlen, im Tragwerksbau zur Sicherheit nur Nagelplattenbinder aus RAL-güteüberwachter Herstellung zu verwenden, wie sie bei GIN-Mitgliedsunternehmen erhältlich sind. Die RAL-Gütesicherung Nagelplattenprodukte, RAL GZ-601, wurde 2014 vollständig überarbeitet und beinhaltet sowohl die europäischen als auch alle zusätzlichen nationalen Anforderungen an das Bauprodukt Nagelplattenbinder und die verwendeten Ausgangsprodukte.

Gravierende Unterschiede

Die wesentlichen Unterschiede zwischen geregelten Bauprodukten mit vormaliger Ü- und nunmehr alleiniger CE-Kennzeichnung lassen sich wie folgt umreißen:

• Produkte mit Ü-Zeichen nach nationalen (alten) Produktnormen und allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen (abZ) entsprachen immer einem in der Norm oder der abZ festgelegten Eigenschaftsniveau; beispielsweise waren Grenzwerte festgelegt, die sämtlichst einzuhalten waren. Ggfs. kamen noch weitere Klassifizierungskriterien wie etwa Tragfähigkeitsklassen bei Nägeln hinzu. Dass all diese Anforderungen vom jeweiligen Bauprodukt vollständig erfüllt wurden, machte das Ü-Zeichen deutlich, das auf dem Produkt anzubringen war. Seine zugesicherten Eigenschaften beruhten nicht allein auf Deklarationen des Herstellers, sondern unterlagen zusätzlich der Prüfung und Überwachung durch neutrale Stellen.

• Bei Produkten, die aufgrund harmonisierter EU-Produktnormen der CE-Kennzeichnung unterliegen, sind zwar Regeln für die Produktprüfung in der Produktnorm enthalten (Prüfnormen), aber keine Anforderungswerte, die das jeweilige Produkt mindestens erfüllen muss. Stattdessen deklariert der Hersteller die von ihm ermittelten Eigenschaftswerte. Sicherheitslücken werden dabei insofern in Kauf genommen, als sich der Hersteller lediglich zu mindestens einer einzigen Produkteigenschaft äußern muss. Alle weiteren in der Norm aufgeführten Eigenschaften kann er deklarieren, eine Verpflichtung zur Deklaration mehrerer bzw. aller Eigenschaften besteht für ihn jedoch nicht. So findet sich bei vielen Bauprodukten in den Leistungserklärungen nach der Bauproduktenverordnung häufig die Deklaration „KLF (NPD) keine Leistung festgestellt“. Auch ist meist keine Fremdüberwachung vorgeschrieben, die die Herstellung der Produkte kontrolliert, Produktproben nimmt und überprüft. Im meist maßgeblichen System 2+ wird von der Überwachungsstelle lediglich noch die Eigenüberwachung des Herstellers eingesehen und „überwacht“. Zudem wurden für diese Bauprodukte in der Vergangenheit von der deutschen Bauaufsicht zusätzliche Anforderungen in der Bauregelliste B und Listen der technischen Baubestimmungen gestellt, da die europäisch erstellten normativen Regelungen aus bauaufsichtlicher Sicht schlicht unvollständig sind. Die Zusicherung dieser Eigenschaften und die diesbezügliche Überwachung fallen nun ersatzlos weg.

Deklarationspflicht unzureichend

Bei der CE-Zertifizierung nach europäischen Recht besteht die Gefahr, dass Hersteller ungünstige Produkteigenschaften einfach unter den Tisch fallen lassen. Sofern es sich dabei um sicherheitsrelevante Aspekte handelt, die etwa die Statik betreffen, kann die lückenhafte europäische Bauproduktnormung zu einem Unsicherheitsfaktor für alle Baubeteiligten werden. Das ist umso bedenklicher, als für mögliche Rechtsfolgen im Falle eines Falles allein Bauherr und/oder Planer einzustehen haben, auf die die EU-Gesetzgebung das Haftungsrisiko neuerdings abwälzt.

Was gilt?

Um praktikable Lösungen sind die Gütegemeinschaft Nagelplattenprodukte e.V. und der Interessenverband Nagelplatten e.V. bemüht. In enger Abstimmung mit weiteren Holzbauverbänden haben sie ein Rechtsgutachten erstellen lassen, das in der aktuellen Situation Orientierung verschafft und den Produktherstellern Lösungswege im Sinne ihrer Kunden aufzeigt. Für den mit der Thematik befassten Düsseldorfer Rechtsanwalt Michael Halstenberg „(…) sind die Beteiligten sicher nicht schlecht beraten, soweit vorhanden, weiterhin auf allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen oder allgemeine bauaufsichtliche Prüfzeugnisse zurückzugreifen, deren Gültigkeitsdauer noch nicht abgelaufen ist und deren Nebenbestimmungen sie weiterhin einhalten sollten (d.h. auch die Überwachung und Zertifizierung aufgrund der Zulassungen weiterführen).“ So wollen nach bisheriger Verlautbarung auch die in der GIN organisierten Hersteller der Nagelplatten verfahren.

Zu den bekanntgemachten technischen Regelwerken zählen auch die RAL-Gütesicherungen, deren Einhaltung mittels Überwachung durch akkreditierte PÜZ-Stellen nachgewiesen wird. „Öffentlichen und privaten Bauherren raten wir, für den Tragwerksbau zur Sicherheit nur Nagelplattenbinder aus RAL-gütegesicherter Produktion zu verwenden“, formuliert der Sachverständige Dipl.-Ing. Ralf Stoodt die Quintessenz, die sich für Bauherren, Architekten/Planer und andere Baubeteiligte in Deutschland aus dem EuGH-Urteil ergibt. (az)

Weitere Informationen sind bei der Geschäftsstelle des GIN erhältlich: Gütegemeinschaft Nagelplattenprodukte e.V. und Interessenverband Nagelplatten e.V. c/o FORUM HOLZBAU, Hellmuth-Hirth-Str. 7, 73760 Ostfildern, Fon 07 11/2 39 96-67, Fax 07 11/2 39 96 66, Mail GIN@nagelplatten.de, Web. www.nagelplatten.de

Über den GIN
>Starke Verbindungen!< Nach dieser Maxime handeln die Gütegemeinschaft Nagelplattenprodukte e.V. und der Interessenverband Nagelplatten e.V. für derzeit 55 Hersteller und Verarbeiter von Nagelplatten und Nagelplattenprodukten: „Nagelplatten werden vor allem im Dach- und Wandbereich von Wohnhäusern, Supermärkten, Gewerbe-, Produktions- und Lagerhallen, landwirtschaftlichen Gebäuden, öffentlichen Einrichtungen wie Sporthallen sowie für Brückenschalungen etc. als extrem belastbare Verbindungsmittel eingesetzt“, erläutert GIN-Geschäftsführer Thomas Schäfer. Das „RAL-Gütezeichen Nagelplattenprodukte“ führen alle Betriebe, die auch Mitglied der Gütegemeinschaft sind. Es umfasst die Herstellung von Nagelplattenprodukten und kann sich darüber hinaus auch auf die Montage von Nagelplattenbinderkonstruktionen erstrecken. Das Gütezeichen Nagelplattenprodukte bürgt so für sichere, maßgenau hergestellte Verbindungen von Holzelementen mit einer Spannweite von bis zu 35 m sowie für die fachgerechte Montage gebäudespezifischer Tragsysteme von allerhöchster, dauerhafter Qualität.

Gemeinnützig und solidarisch unterstützt der GIN seine Mitgliedsfirmen in allen Fragen, die sich im Hinblick auf technisch vorbildliche und wirtschaftlich vorteilhafte Einsatzmöglichkeiten von Nagelplatten am Bau ergeben. Zugleich ist der Interessenverband Ansprechpartner und Auskunftsquelle für Architekten, Hausbauunternehmen, Bauämter, Zimmerei-, Dachdecker- sowie weitere Handwerksbetriebe, die Nagelplatten und Nagelplattenprodukte bei der Verwirklichung unterschiedlichster Bauvorhaben konstruktiv verwenden. 1982 gegründet, gehört der GIN der Verbändegemeinschaft FORUM HOLZBAU an, hat seinen Sitz in Ostfildern bei Stuttgart und wird von Jochen Meilinger (1. Vors.), Kay-Ebe Schnoor (2. Vors.) und Thomas Schäfer (Geschäftsführer) vertreten. Weitere wissenswerte Informationen über Nagelplatten und -produkte sowie über den GIN als Interessenverband finden sich im Internet auf http://www.nagelplatten.de

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